Charlotte Petersens lebenslanger Einsatz für die Opfer des KZ-Wapniarka
Die größte Bettlerin des Jahrhunderts
shgPfarrer Gerhard Zimmermann berichtet über das Lebenswerk von Charlotte Petersen.08.11.2018 shgo Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Als eine von zahlreichen weiteren Ehrungen erhielt im Jahre 1990 vom Deutschen Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit die Buber-Rosenzweig-Medaille. Der ehemalige Dekan des Evangelischen Dekanats Bad Marienberg, Pfarrer Gerhard Zimmermann, hat über Charlotte Petersen ein Buch geschrieben: „Die größte Bettlerin des Jahrhunderts: Charlotte Petersen und ihr Kampf für die Überlebenden des KZ-Wapniarka“. Aus diesem las er auf Einladung des Arbeitskreises Integration und Asyl, der Evangelischen Erwachsenenbildung, der Stadt Hachenburg und der Hähnelschen Buchhandlung einem interessierten Publikum im Löwensaal des Hachenburger Vogtshofs vor.
Erinnerungskultur pflegen
Zuvor begrüßte Dekan i.R. Martin Fries die Anwesenden und wies auf die starke Erinnerungskultur in Hachenburg hin. Es gibt einen großen jüdischen Friedhof und Stolpersteine, die an das Schicksal einzelner Juden der Stadt erinnern. Danach begrüßte Bürgermeister Stefan Leuckel die Lesungsgäste. Er freue sich über Veranstaltungen zur Geschichte der NS-Zeit berichtete Leuckel, da sie das Verständnis von Bevölkerungsgruppen füreinander fördern. „Mit ist ganz wichtig, dass wir hier in Hachenburg friedlich und freiheitlich zusammen leben“, sagte Leuckel. Die Veranstaltung wurde musikalisch eingerahmt vom Evangelischen Frauenchor Hof unter Leitung von Christiane Löflund-Fries.
Lebenslange Schäden durch giftige Erbse
In seinem Vortrag berichtete Gerhard Zimmermann davon, wie Charlotte Petersen auf einer Israelreise, zusammen mit der Frau des späteren Bundespräsidenten Gustav Heinemann, Hilda Heinemann, in Kontakt mit Überlebenden des KZ-Wapniarka kam. Sie nahm sich sofort der Aufgabe an, diesen Menschen und ihren Familien zu helfen. Die Überlebenden des KZs waren lebenslang schwer geschädigt, da sie mit der giftigen Latyrus-Erbsen ernährt worden waren. Schon nach einem Monat der fast ausschließlichen Ernährung mit dem Erbsenbrei diagnostizierte der Lagerarzt eigenartige Harnwegserkrankungen bei den Insassen, darauf folgten Darmerkrankungen, schmerzhafte Muskelkrämpfe und Nervenlähmungen. Danach kamen bleibende Lähmungen der Arme und Beine. Die Bundesregierung lehnte finanzielle Wiedergutmachung für die Opfer ab, da das, 1941 errichtete, KZ- Wapniarka in Rumänien lag und unter rumänischem Kommando stand. Im Laufe von 42 Jahren, bis zu Ihrem Tod 1994 als 90-jährige, sammelte Charlotte Petersen über 18 Millionen D-Mark für die Überlebenden aus Wapniarka. Hilda Heinemann bezeichnete sie einmal als die „größte Bettlerin des Jahrhunderts“.
Dem Antisemitismus wehren
Ursprünglich war Charlotte Petersen Buchhändlerin und Journalistin bei verschiedenen Tageszeitungen gewesen. Sie war Schriftleiterin der Gemeindezeitung „Unser Weg“, die die Gemeinden des Propsteibereiches Nord-Nassau mit der Ev. Kirche in Hessen und Nassau verband. Schon damals war Pfarrer Gerhard Zimmermann auf den beispiellosen Einsatz der Dillenburgerin für die KZ-Opfer aufmerksam geworden. Er schloss seinen Bericht mit einem Kommentar zum zunehmenden Rechtspopulismus in Deutschland: „ Wir dürfen nicht zulassen, dass der Antisemitismus wieder Ursprünge feiert. Wir müssen uns dagegen verwehren, dass so etwas in unserem Land geschieht.“
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