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Politikwissenschaftler spricht in Selters über Umgang mit rechtem Gedankengut

Kirche und Populismus: Versöhnlich im Ton, klar in der Sache

bonPolitikwissenschaftler Matthias Blöser referiert in Selters.

Worte haben Macht: Sie können ermutigen, verletzen und manipulieren. Populisten machen sich die Macht des Wortes zunutze, um durch Halb- und Unwahrheiten andere zu diffamieren. Doch wie sollte Kirche mit solchen Menschen umgehen? Respektvoll, aber klar, meint Matthias Blöser.

Matthias Blöser, Politikwissenschaftler und Mitarbeiter des Zentrums Gesellschaftliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, hat während eines Seminars in Selters rund zwei Dutzend Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern evangelischer Kirchengemeinden Ratschläge und Strategien an die Hand gegeben, wie auf Rechtspopulismus reagiert werden kann.

Aktueller Anlass

Das von der Evangelischen Ehrenamtsakademie Westerwald veranstaltete Abendseminar ist hochaktuell. Denn in der Region Gießen sorgt zurzeit ein Konflikt zwischen einer Kirchengemeinde und einer Lektorin für Wirbel: Sie ist nicht nur ehrenamtliche Mitarbeiterin der Gemeinde, sondern auch AFD-Mitglied. Inzwischen ist der Streit öffentlich, und die AFD nutzt ihn, um die Kirche an den Pranger zu stellen, erzählt Matthias Blöser: „Das hat sogar dazu geführt, dass ein Parteivertreter die Kirchengemeinde als ,faschistisch’ beschimpft hat.“

Vertauschte Rollen

Die Rechtspopulisten schüren also nicht nur Ängste vor einer schleichenden Überfremdung und einer „Islamisierung“ des Abendlandes. Sie kehren auch Opferrollen um, sagt der Experte und nennt als weiteres Beispiel den Fall eines AFD-Demonstranten: Auf einem Plakat vergleicht der Mann den Umgang mit seiner Partei mit dem Schicksal der verfolgten Juden unter den Nazis. „Die Kirche darf demgegenüber nicht stumm bleiben, sondern muss schnell und klar reagieren“, sagt Blöser. Die ökumenischen Friedensgebete als Reaktion auf die rechten „Trauermärsche“ in Chemnitz sind dafür seiner Ansicht nach gute und nachahmenswerte Beispiele.

Kernthemen besetzen

Außerdem dürfen gesellschaftliche Kernthemen wie Heimat oder Familie nicht den Rechten überlassen werden, fordert der Politikwissenschaftler. „Lassen Sie uns diese Themen positiv kirchlich besetzen. In der Evangelischen Kirche sollen sich alle Familienformen aufgehoben fühlen, statt bestimmte Arten des Zusammenlebens zu ächten.“ Denn das widerspricht der Kernbotschaft des Evangeliums, die eine zutiefst menschenfreundliche ist, glaubt der Referent.

Menschen ansprechen

Das gilt freilich auch im Umgang mit denjenigen, die sich populistisch äußern. Denn nicht immer haben Konflikte das Ausmaß wie im Gießener Fall. Oft sind es die kleinen „Spitzen“; die dahergesagten, fremdenfeindlichen Kommentare, die inzwischen auch in Kirchengemeinden salonfähig geworden sind. „Manchmal wird doch ausgesprochener Mist nachgeplappert: Dumme Witze, die im Grunde sehr bedenklich sind“, sagt einer der Seminarteilnehmer. „Gerade wir Christen sollen denjenigen, der so etwas verzapft, darauf ansprechen: ,Weißt Du eigentlich, was Du da redest oder was Du in Netzwerken teilst?’ Oft geht den Leuten erst dann ein Licht auf.“

Wertschätzend im Gespräch bleiben

Die rechten Sprüche kommen eben oft nicht nur von überzeugten Nazis. Sie kommen von Menschen, die Sorgen haben; von Nachbarn, Freunden, Familienmitgliedern. „Oft stehen uns diese Leute nah“, sagt Blöser und ermutigt die Zuhörer, solche Aussagen nicht nur wegzulächeln. „Es ist auch eine Form der Wertschätzung, wenn Sie Ihren Bekannten darauf ansprechen: ,Du, ich mag Dich. Deshalb will ich mit Dir im Gespräch bleiben und wissen, warum Du das gesagt hast.’ Das Wichtigste: Reden Sie auf Augenhöhe – nicht von oben herab. Seien Sie empathisch und respektvoll. Knüpfen Sie an die Lebensrealität Ihres Gegenübers an und fragen Sie, wo der Schuh drückt statt nur an der Oberfläche zu bleiben“, rät der Politikwissenschaftler.

Wenn Grenzen erreicht werden

Bei manchen Themen erübrigt sich aber jede Diskussion, unterstreicht er: „Christinnen und Christen sind oft harmoniebedürftig. Dabei sollten wir klar und konfliktfähig sein: authentisch mit Menschen im Gespräch bleiben, Brücken bauen, aber auch unverrückbare Grenzen setzen – etwa wenn unser Gegenüber den Holocaust leugnet.“

Nicht nur gegen, sondern für etwas starkmachen

Worte haben Macht. Im negativen wie im positiven Sinne. Deshalb sollte sich Kirche nicht nur deutlich gegen populistisches Gedankengut positionieren, sondern auch für etwas einstehen – für das, was seit Tausenden von Jahren ihre Kernkompetenz ist: „Wofür stehen wir eigentlich?“, fragt Matthias Blöser am Ende des fast dreistündigen Abendseminars. „Wir stehen für Spiritualität und für die Frohe Botschaft. Das macht uns einzigartig. Und dieses Alleinstellungsmerkmal sollten wir nutzen.“ (bon)

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