Pfarrer Christof Schmidt geht in den Ruhestand
Abschied nach 37 Jahren in Unnau
shgPfarrer Christof Schmidt an der Schwedenhütte hinter der Kirche, in der zahlreiche Hüttenabende gefeiert wurden29.08.2024 shgo Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
shgChristof SchmidtEr stammt aus Holzhausen am Hünstein, einem Dorf im hessischen Hinterland. 1978 begann er sein Studium an der Lutherisch-Theologischen Hochschule Oberursel, nach einem Jahr wechselte er nach Tübingen und später für zwei Gastsemestern nach Bern. An der Universität Tübingen machte er 1984 Examen. Dann folgte das Vikariat in Eckelsheim und Wendelsheim in Rheinhessen. 1985 heiratete er Jugendfreundin Ulrike. Dann kam Schmidt zum Spezialvikariat ins Psychiatrische Krankenhaus des Wohlfahrtsverbandes des Landes Hessen in Gießen.
Erste Pfarrstelle: Unnau
Noch während des Spezialvikariats erzählte Propst Hans Wilhelm Stein ihm von der Kirchengemeinde Unnau, wo Schmidt den Dienst als Gemeindepfarrer antrat. Hier entwickelte Schmidt eine umfangreiche Kinder – und Jugendarbeit mit vielen Freizeiten nach Skandinavien oder zum Segeln auf dem Ijsselmeer, Städtetouren und Erlebnistagen; sorgte für einen umfangreichen Besuchsdienst für Senioren und Kranke sowie Senioren- und Familienfreizeiten und engagierte sich für lebendige Gottesdienste in der Kirche und in der Unnauer Waldkirche am Kleinen Wolfstein. Gleich zu Beginn der Coronazeit bot er der Gemeinde Online-Gottesdienste an, entwickelte das Format „Klappstuhlgottesdienste“ im Freien und den „Treffpunkt Kreuz“, der auf den Höfen oder in Gärten von Gemeindegliedern stattfand, wo ein großes Holzkreuz, ein mobiler Altar und echte Kirchenbänke auf einem Hänger mitgebracht wurden.
Diakonisches und ökumenisches Engagement
Durch die Gründung eines Kirchenvereins, der zusätzliche finanzielle Mittel freisetzte, ist die Kirchengemeinde Unnau heute auch für ihre tatkräftige Hilfe für Geflüchtete und Bedürftige bekannt. Nach zahlreichen Hilfseinsätzen und Sammlungen während des Balkankrieges und später in Osteuropa, fördern Kirchenverein und Kirchengemeinde heute einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb in Moldawien, der für zahlreiche Familien Hilfe zur Selbsthilfe leistet.
Im Interview blickt Pfarrer Schmidt auf seine Dienstjahre zurück.
Frage: Sie waren 37 Jahre Pfarrer in Unnau. Wie fühlen Sie sich, wenn Sie an Ihren Abschied denken?
Schmidt: Momentan irgendwie scheußlich. Ich fühle in mir keine Müdigkeit im Amt, ich habe nach wie vor große Freude an dem, was tue. Zugleich habe ich ein „Ja“ dazu, dass der Abschied sein muss. Mein Weg nach Unnau war damals eine echte Berufung – es gab jemanden, der mich in diesen Dienst berufen hat. Der Start in der Kirchengemeinde war durch verschiedene Konfliktlagen schwierig, dennoch wussten meine Frau und ich, dass wir hierhin geführt wurden. Es war für uns ein guter Weg und wir sind dankbar dafür. Erleichternd stelle ich mir allerdings nun den Moment der Entpflichtung durch die Pröpstin im Gottesdienst vor: man fühlt sich im Pfarramt ja doch immer verantwortlich, auch im Urlaub. Bald aber kann ich sagen: Das ruht nun in anderen Händen. Ich freue mich, dass es noch einmal eine andere Zeit in meinem Lebens geben wird.
Frage: Warum sind Sie Pfarrer geworden?
Schmidt: Ich wollte mit ganzer Kraft in der Kirche Jesu Christi mitarbeiten. Ich wurde sehr geprägt durch die lebendige Jugendarbeit in meiner Heimatgemeinde Holzhausen. Dort war Hans Wilhelm Stein, der von 1977 bis 1989 Propst für Nord-Nassau und über ein Jahrzehnt Dekan des Dekanats Gladenbach war, 23 Jahre lang unser Gemeindepfarrer. Es gab die Kinder- und Jugendarbeit des CVJM und eine ganz starke prägende übergemeindliche Jugendarbeit. Im Jugendchor unseres Dekanates lernte ich auch meine Frau Ulrike kennen. Schon mit 15 Jahren wusste ich, dass ich Pfarrer werden will. Das ist immer noch mein Traumberuf. „Weil Menschen Menschen brauchen“- das war der Slogan damals in der Werbung für den Pfarrberuf und daran habe ich mich gerne gehalten.
Frage: Was ist für Sie als Pfarrer wichtig gewesen?
Schmidt: Mein Ordinationsversprechen, dass ich das Evangelium verkündige und die Sakramente recht verwalte. Ich liebe den Gottesdienst als die Mitte des Geistlichen Lebens; inspirierende Gottesdienste zu feiern und zu erleben, dass etwas passiert zwischen Himmel und Erde, ist das Geheimnis vieler Kräfte, die Menschen bewegen und helfen. Wichtig ist für mich Nehemia 8, Vers 10: „Seid nicht bekümmert, denn die Freude am Herrn ist eure Stärke“. Das haben wir in all den Jahren ganz oft erlebt, dass da, wo wir Christus feiern, wo wir ihn in unserer Mitte spüren, Freude entfesselt wird und Stärke zur Bewältigung unserer Aufgaben.
Frage: An welche Projekte und Situationen erinnern Sie sich besonders?
Schmidt: Wir waren als Gemeinde oft an Brennpunkten des Zeitgeschehens. Wir nahmen am Erntedanktag 1989 DDR-Flüchtlinge aus Prager Botschaft in Gießen mit Lebensmitteln und Kleidung in Empfang. Wir haben in den Wintern des Balkankrieges Geld gesammelt und geleitet durch den UNHCR eine halbe Million Paraffinkerzen nach Zagreb gefahren, wo Menschen, die versteckt als Flüchtlinge in den Wäldern lebten, darauf Nahrung erwärmen konnten. Mit drei Sattelzügen voller Briketts halfen wir über 2000 Menschen den zweiten Kriegswinter in Bosnien-Herzegowina zu überleben. 2008/2009 verhinderten wir mit Demonstrationen mit rund 2000 Menschen Parteitage der NPD, die in Unnau bzw. in Bad Marienberg stattfinden sollten. Nach der Flut im Aartal haben wir eine große Geldsumme für die Einzelfallhilfe gesammelt und im Herbst für hundert warme Zimmer im Katastrophengebiet gesorgt. Als Putin in die Ukraine einmarschierte, holten wir an der Grenze 34 Ukrainer nach Unnau, die zum großen Teil immer noch hier leben. Seit fast 20 Jahren gibt es unsere Moldawienhilfe mit inzwischen 18 Hektar Land, 20 Stück Vieh, einem Maschinenpark, zwei Hallen und zwei Wohnhäusern. Der Hof gibt jeden Tag Milch und Butter an Geflüchtete aus der Ukraine und an verarmte Moldawier ab, Leute, die nichts haben und von Almosen leben. Wenn es einer Gemeinde so gut geht, wie es uns gut geht, muss man einfach auch ein starkes ökumenisch-diakonisches Anliegen verfolgen.
Frage: Auch innerhalb der Kirchengemeinde haben Sie einiges bewegt…
Schmidt: Durch eine planvolle und mit vielen engagierten Mitarbeitenden verfolgte Jugend- und Konfirmandenarbeit mit zahlreichen Gruppen, Freizeiten und Aktivitäten wurden wir eine Gemeinde mit starker Jugendarbeit. Durch die vielen jungen Menschen, die dann selber mitmachen wollten und Erlebtes in ihrem Glauben teilten, wurden wir eine Gemeinde mit starker Kindergruppenarbeit. Viele dieser Menschen blieben uns in der Kirchengemeinde erhalten. Auch durch die regelmäßigen Seniorenfreizeiten kamen im Anschluss stets Menschen hinzu, die Teil unserer Gemeinde sein wollten. In der hauptamtlichen Arbeit wurden wir in den Jahren durch insgesamt drei Gemeindepädagoginnen und zwei Diakonissen unterstützt. In den besten Jahren gab es bis zu 2000 Hausbesuche jährlich für hoch Betagte, Kranke und Jubilare – wenn wirklich jemand ganz dafür da ist, dann erzeugt das ein tolles Echo in der Gemeinde.
Frage: Was war schwer als Pfarrer?
Schmidt: Abschied nehmen zu müssen von Menschen, die hier in der Gemeinde das Leben mitgetragen haben. Auch Austritte von früheren Konfirmanden, die nicht mehr zur Kirche gehören wollten. Schwer ist insgesamt der Relevanzverlust, den unsere Kirche erlitten hat und erleidet. Wer die Kirche lieb hat, der leidet an ihrer abnehmenden Bedeutung in der Gesellschaft und unter der Verantwortung, die wir dafür tragen.
Frage: Was war schön?
Schmidt: Ich bin sehr erfüllt von dieser Zeit und empfinde eine große Dankbarkeit. Es hat wirklich viele atemberaubende Momente und eine gute tragfähige Weggemeinschaft gegeben. Ich freue mich über den einladenden Charakter der Gemeinde, über die, die zum Gottesdienst kommen oder zum Hüttenabend in die Schwedenhütte oder in unsere Waldkirche. Es gibt eine rappelvolle Liste von Highlights, die ich als Erinnerungen in mir trage. Alleine die Freizeiten, da gibt’s so vieles, was leuchtet, an Gemeinschaft, an Erlebtem beim Unterwegssein. Das Miteinanderleben auf Zeit, wenn Menschen Dinge zusammen erleben und ihren Glauben teilen, ist das immer etwas, was sie miteinander verbindet. Es gab unendlich viel Schönes.
Frage: Was geben Sie der Unnauer Kirchengemeinde mit?
Schmidt: Ich wünsche ihr, dass sie lebendig bleibt, dass sie eine Gemeinde der Gottesdienste bleibt, eine Gemeinde, in der das Kreuz Jesu Christi die Mitte ist. Und dass sie an ihren Charakteristiken festhält: in Unnau sitzt man gerne zu Tisch und in Unnau wird von Herzen gerne und viel gesungen. Und ich wünsche ihr ein reichlich gesegnetes Miteinander mit ihrem neuen Pfarrer. Mit Pfarrer Johannes Schütz, der aus Neunkhausen stammt, wird die Vakanz in Unnau nach nur vier Monaten schon beendet sein. Das ist wirklich sehr schön.
Die Fragen stellte Sabine Hammann-Gonschorek.
Die Verabschiedung von Pfarrer Christof Schmidt findet am Sonntag, den 1. September um 14 Uhr in der Evangelischen Kirche in Unnau statt.
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