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Fachtag mit 80 Teilnehmenden macht Mut für mehr Miteinander – Referentin: „Einfach machen!“

Diakonie und Dekanat: Vernetzen und Räume schaffen

bonCornelia Coenen-Marx (rechts) ermutigt die Gäste, Räume der Begegnung zu schaffen.

Manchmal ist die Zusammenarbeit zweier Institutionen eine harte Nuss. Die Regionale Diakonie Westerwald und das Evangelische Dekanat Westerwald haben während ihres gemeinsamen Fachtags nun einige Nüsse geknackt. Und das, obwohl die beiden Einrichtungen schon auf vielen Gebieten gut und eng zusammenarbeiten.

Aber da geht noch mehr, glauben die 80 Gäste im Westerburger Ratssaal. Deshalb: Nüsse knacken. Und zwar im wörtlichen Sinne.

Was verbirgt sich unter der Schale?

Dekan Dr. Axel Wengenroth und Diakonie-Leiter Wilfried Kehr nehmen sich die kleinen Früchte vor, und unter den Schalen verbergen sich zusammengerollte Zettel. Darauf stehen Sätze, die das aktuelle Miteinander von Kirche und Diakonie beschreiben. Manchmal ist der Wurm drin; dann, wenn Mittel gekürzt werden, wenn Mitarbeitende überlastet sind oder die Kirche Menschen in schwierigen Lebenslagen scheinbar nicht mehr erreicht. Andere Dinge machen Mut: Gemeinsame Projekte wie „Weihnachten für alle“, die Kooperation zwischen der Kirchengemeinde und der Westerburger Tagesstätte für psychisch Kranke, die gemeinsame Gremien- und Öffentlichkeitsarbeit, die Hilfe für Flüchtlinge zum Beispiel.

Historischer (Fach-)Tag

„Heute geht es um die Frage: Was können und müssen wir für ein noch besseres Miteinander tun? Und was liegt in Gottes Hand?“, sagt Dekan Axel Wengenroth zu Beginn und hofft auf Weisheit, die richtige Balance zwischen nötiger Eigeninitiative und Gottvertrauen zu finden. Wilfried Kehr nennt den gemeinsamen Fachtag gar „historisch“: „Solch eine Veranstaltung gab es meines Wissens noch nie.“

Hochkarätige Referentin

Beide Seiten gehen also mit großen Erwartungen in den Tag – und haben eine hochkarätige Referentin eingeladen: Oberkirchenrätin a. D. Cornelia Coenen-Marx war unter anderem Leiterin des Referats Sozial- und Gesellschaftspolitik der EKD, Pfarrerin und Vorstand der Kaiserswerther Diakonie. Eine Frau, die beide Seiten kennt und die viel zu sagen hat – gerade in Zeiten wie diesen, die von vielen „Krisen-Gipfeln“ geprägt ist, wie sie es formuliert: Von Flüchtlingsgipfeln, Wohnungsgipfeln, Energiegipfeln. Gipfel überwinden kann man nur mit einer stabilen Seilschaft, sagt sie und spricht etwa über Florence Nightingale und Johann Hinrich Wichern als diakonische und kirchliche Vordenker. Menschen, die sich vernetzt haben, um Gutes zu bewirken.

Viele sind einsam

Auch Diakonie und Kirche brauchen diesen Zusammenhalt – gerade im Blick auf die Mitgliederentwicklung, die sich laut der Freiburger Studie bis 2060 halbieren könnte. Und mit Blick auf diejenigen, die alleine sind: „40 Prozent der Über-75-Jährigen fühlen sich einsam“, ist nur eine der vielen Statistiken, die Cornelia Coenen-Marx anführt und die eine deutliche Sprache sprechen. „Der Weg aus dieser Einsamkeit führt über die wechselseitige Unterstützung. Menschen wollen sich nicht nur umsorgt fühlen, sondern auch die Gelegenheit haben, für andere zu sorgen.“ Kirche und Diakonie können dafür Räume schaffen und Prozesse begleiten – etwa in Mittagstischen, Schmökerstuben, Projektchören oder Reparaturcafés. Es geht also darum, einen Rahmen zu schaffen, in dem Begegnungen möglich sind. Manchmal auch ohne allzu ausufernde Planungen im Vorfeld, sagt die Referentin: „Einfach mal machen ist die Devise! Und haben sie keine Angst vor Profilverlust – zum Beispiel, was die Grenzen der eigenen Konfession angeht. Geben Sie denjenigen ruhig Raum, die sich engagieren möchten und gute Ideen haben.“

Kirche ohne Glocken und Altar

Räume schaffen meint die Referentin sowohl im übertragenen als auch im wörtlichen Sinne. Denn viele, die sich Kontakt wünschen und sich engagieren möchten, gehören nicht zur Kirche und spüren vielleicht eine Scheu vor klassischen kirchlichen Räumen. „Vernetzen Sie sich deshalb mit Kommunen, Wohlfahrtsverbänden und Nachbarschaftsinitiativen, um Räume zu schaffen, zu denen alle Zugang finden.“ Solche Orte gibt es schon – auch im Westerwald: Dort sind zum Beispiel das Diakonie-Café „Marktplatz 8“ in Westerburg und der Kleiderladen MittenDrin und mehr in Bad Marienberg Aushängeschilder von Kirche. Auch ohne Altar und Glockenturm.

Probleme in der Nachbarschaft

Solche Begegnungsräume sind wichtig, sagt Coenen-Marx. „Es geht schließlich nicht darum, andere zu bekehren, sondern die aktuellen Herausforderungen der Menschen vor Ort zu bewältigen. Denn alle Probleme unserer Zeit finden sich auch in unserer Nachbarschaft“, glaubt sie. Deshalb sollten Kirche und Diakonie vor allem: zuhören. Hören, was die Menschen brauchen. Die Referentin fasst das in einem Zitat Ralf Kötters zusammen: „Christen, die nur unter sich leben, haben keine Ahnung, wie das Christentum auf Menschen wirkt, die nicht glauben.“

Uralte Idee

Hinhören und Ermöglichen statt Bekehren mit der Brechstange. So kann die gemeinsame Zukunft von Kirche und Diakonie nach Meinung Cornelia Coenen-Marx‘ gelingen. Und: Es ist wichtig, die Menschen in ihrem Leben zu begleiten, sagt sie. Das kann die Tafelarbeit sein, die Flüchtlingshilfe, das Zeit-Nehmen für Alte und Kranke. So gesehen ist Diakonie uralt. Und sehr biblisch. Denn auch im Buch der Bücher werden Nackte bekleidet, Fremde aufgenommen, wird Kranken geholfen.

Alles ist vorhanden

Das liegt auch den Gästen des Fachtags am Herzen, wie sie sich während der Kleingruppenphasen und in den Diskussionsrunden versichern. Die Voraussetzungen dafür sind da: „In unseren Gemeinden ist alles vorhanden. Lassen Sie es uns nutzen“, sagt Pröpstin Sabine Bertram-Schäfer am Ende des Fachtags. Ein Fachtag, von dem die Gäste nicht nur inspirierende Begegnungen mitnehmen, sondern der Lust auf noch mehr Vernetzung zwischen Diakonie und Dekanat macht. Auch wenn noch Nüsse zu knacken sind. (bon)

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