Nach Stationen in Japan und China
Ein Wäller kommt zurück
shg28.04.2022 shgo Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
bonDie St. Bartolomäuskirche in AltstadtObwohl Schell seine theologischen Examina in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau ablegte und seine Dissertation an der Universität Heidelberg schrieb, führten ihn Auslandsaufenthalte immer wieder fort. Im Wechsel mit heimischen Stellen in Michelstadt, Lampertheim, Dreifelden und Dornheim lebte und arbeitete Schell in Florida, Südindien, Tokio und Peking. Von 1999 bis 2005 war Schell Dekan des Evangelischen Dekanats Selters. Zuletzt war der Theologe sechs Jahre lang Dekan im Dekanat Odenwald. Nun ist der Wäller nach Bad Marienberg zurückgekehrt und wird sein letztes Dienstjahr in der Kirchengemeinde Altstadt in Hachenburg tätig sein.
Sabine Hammann-Gonschorek hat ihn interviewt:
1) Herr Schell, Sie sind beruflich sehr viel herumgekommen und haben sich immer neuen Herausforderungen gestellt. Haben Sie Fernweh?
Meine recht häufigen Auslandsaufenthalte haben sich meist irgendwie ergeben. Ich bin ein überzeugter Westerwälder und seit 1980 Mitglied im Westerwaldverein. Ich glaube auch, dass Spiritualität Erdung braucht. Was natürlich bedeutet, dass die Westerwälder Erdung haben (lacht). Ich war ja die meiste Zeit in Deutschland beruflich tätig, als Vikar in Michelstadt, als Pfarrer zum Beispiel in Dreifelden und als Dekan in Selters und im Odenwald. Es gehört zu meiner Laufbahn dazu, dass ich das Zurückkommen genauso mag wie das Weggehen. Tatsächlich habe ich immer alle 6-7 Jahre einen Wechsel gebraucht. Das bezieht sich auch auf den Inhalt der beruflichen Tätigkeit. Einerseits das Akademische, dann wieder Management, und natürlich Seelsorge und geistliches Leben- da bin ich gerne gependelt.
2) Ihre Ziele waren vor allem für damals sehr exotisch. Sie gingen bereits in den 80er Jahren nach Indien und dann nach Japan. Warum so weit weg?
Das geschah immer durch Begegnungen. Im Studium in Heidelberg lernte ich einen Professor aus Japan kennen, der mich sehr beeindruckte. Er sagte am Ende seiner Gastprofessur zu mir: „Sie müssen nach Japan kommen“. Mit einem Promotionsstipendium bin ich dann 1988-90 an seine Hochschule gegangen. Und ich habe festgestellt: Ich bin dafür geeignet, mich immer auf Neues einzulassen. Ich bringe Offenheit für andere Kulturen, Leidenschaft für internationale Ökumene, Entdeckerlust, Neugier und natürlich Lernbereitschaft mit. Die jeweiligen Stellen waren dann Berufungen „von außen“, die etwas in mir anklingen ließen oder Berufungen „von innen“. Das war China für mich. Ich fragte mich: „Wo liegt denn die Zukunft?“ Meine Antwort war: „In China!“ Und ich muss sagen: Die sieben Jahre als Auslandspfarrer der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) in Peking waren die erfüllteste Zeit meiner Laufbahn. Weil ich viel von dem, was ich gelernt hatte, dort einbringen konnte: Gemeindeaufbau, Menschen gewinnen, bei anderen Gaben entdecken und diese zusammenbringen. Und das alles in einem internationalen Kontext.
3) Ist es schwierig dauerhafte Beziehungen zu anderen Menschen zu leben, wenn man so viel unterwegs ist wie Sie?
Gute Beziehungen halten auch über die Entfernung. Ich habe aus jeder Station meines Lebens Menschen behalten. Ich nenne sie „meine Weltgemeinde“ (lacht). Ich finde es wichtig, mit ihnen erlebte geistliche Anfänge weiterzuführen. So habe ich vor sieben Jahren die „China Brücke Deutschland e.V.“ mitgegründet. Da geht es um Begleitung und Beratung für Nach-China-Reisende und für China-Rückkehrende auf dem Hintergrund des Christseins in einer globalisierten Welt.
4) Wie sehen Sie die Kirchenentwicklung in Deutschland mit sinkenden Mitgliederzahlen?
Für viele jüngere Menschen in Deutschland sind Kirchengemeinden kein Lebensbestandteil mehr. Hier ist so viel mit Verwaltung verbunden – das nervt. Das Nahbare, Menschliche geht verloren. Menschen wollen menschliche Nähe. Kirche sollte ein Ort sein, wo Menschen ihre Gaben entdecken, ein lebendiger Ort. Das ist in Auslandsgemeinden so: in China sind manche meiner Gemeindemitglieder bis zu zwei Stunden angefahren, um am Gottesdienst teilnehmen zu können. Nachmittags gab es dann noch eine andere Veranstaltung. Man war länger zusammen, als es sonntags in Deutschland der Fall ist. Wenn wir Menschen gewinnen wollen, müssen wir zurück zu den Wurzeln und fragen: „Was ist denn Gott für dich“? Menschen müssen ihren eigenen Weg mit Gott entdecken können. Wir haben Lieder, Inhalte, einen reichen Schatz in unserer Kirche, aber der wird von vielen nicht mehr verstanden. Wir können nicht mehr von Selbstverständlichkeiten ausgehen.
5) Was hat Sie zurück in den Westerwald geführt?
Ich bin in mein Elternhaus in Bad Marienberg gezogen. Mein Großvater hat das Haus gebaut. Ich fühle mich im Westerwald wieder stärker verwurzelt als früher und will nach rund 20 Umzügen in meinem Leben mal ankommen. Ich begreife die eigene Familie und Herkunft als Geschenk und jetzt war es für mich Zeit zurück zu kommen. Aber natürlich werde ich weiterhin auch unterwegs sein und meine Freunde im In- und Ausland besuchen.
6) Was haben Sie sich für die Kirchengemeinde Altstadt vorgenommen?
Für mein letztes Jahr folge ich noch mal meiner Herzensberufung: Gemeindepfarrer. Altstadt war ein Wunsch von mir. Es ist um die Ecke von Dreifelden, wo ich ja schon mal beheimatet war. Und die St. Bartholomäuskirche ist sehr schön, ich freue mich darauf, dort Gottesdienste zu halten. Von der Mentalität her sind die Altstädter ja auch „Westerwälder Stammesgenossen“ (lacht). Pläne mache ich vorab wenig, Corona hat uns gelehrt flexibel zu sein. Ich bin freudig gespannt.
Der erste Gottesdienst von Pfarrer Dr. Karl-Heinz Schell findet am Sonntag, den 15. Mai um 10 Uhr in der Evangelischen St. Bartholomäuskirche in Hachenburg statt.
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