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Beeindruckender Abend mit Ensemble „Opus 45“ und Schauspieler Roman Knižka in Evangelischer Kirche Höhr-Grenzhausen

Gäste erleben wilde Reise durchs Krisenjahr 1923

bonOpus 45 und der Schauspieler Roman Knižka faszinierten mit einer aufregenden Zeitreise ins Jahr 1923.

„In diesem Land – das Krisenjahr 1923“. Der Titel hat etwas von einer Geschichtsstunde. Doch statt trockenem Historienunterricht erleben die vielen Gäste in der Evangelischen Kirche Höhr-Grenzhausen einen Husarenritt durch eine wilde Epoche.

bonVoller Einsatz: Roman Knižka

Rauschendes Jahr der Gegensätze

Das Bläserquintett „Opus 45“ und der Schauspieler Roman Knižka rauschen durch ein rauschendes Jahr voller Gegensätze – eines, in dem ein demoralisiertes Volk das Vergessen im Exzess sucht. Der Abend beginnt mit Flugblättern, die durch die voll besetzte Kirche flattern. Dazu zitiert Roman Knižka aus Zeitungsmeldungen dieser Zeit: Die Besetzung des Ruhrgebiets durch französische Truppen bestimmt die Nachrichten. Und immer wieder: die unaufhaltsam voranschreitende Inflation. Das Verkünden des stetig steigenden Brotpreises ist der absurde rote Faden, der sich durch das literarische Konzert zieht.

Absurde Schlager

Absurd. Vielleicht ist das die treffendste Beschreibung für 1923. Das Jahr ist voller Extreme: Hier die Geldentwertung, dort der Fatalismus und der rabenschwarze Humor der Menschen. „Wir versaufen uns’rer Oma ihr klein Häuschen“, schmettert und spielt das Ensemble „Opus 45“. Genauso wie andere Gassenhauer aus dieser Zeit; wie „Ausgerechnet Banane“ oder wie „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“.

Der Wohlklang löst sich auf

Im krassen Kontrast dazu: die vielen hochkomplexen Kompositionen „moderner“ Komponisten wie Paul Hindemith, Hanns Eisler und György Ligeti. Deren Werke übersetzen das, was auf den Straßen geschieht, in Klänge und Rhythmen: Die Musik – fabelhaft interpretiert von einem hochvirtuosen Ensemble – pulsiert atemlos. Die traditionellen Harmonien und Melodien gibt es zwar noch, aber die Grenzen verschieben sich immer weiter hin zur schroffen Atonalität. Bis sich ein paar Jahre später alles auflöst.

Schöne Stimmung wird jäh zerrissen

Wenn Musik ein Spiegel der Gesellschaft ist, spiegelt sich in diesen Klängen ein zerrissenes Land. Vor allem die Besetzung des Ruhrgebiets durch französischen Soldaten sorgt für einen Aufschrei – und für wachsende Anfeindungen dunkelhäutiger Menschen. Roman Knižka liest aus einem Brief eines farbigen französischen Kolonialsoldaten an seine deutsche Freundin, und es klingt herzerweichend. Doch die romantische Stimmung wir jäh zerrissen, als er von dem systematischen Rassismus spricht, der sich in dieser Zeit in Deutschland breit macht und später in der Zwangssterilisation der Kinder dieser französisch-deutschen Liebesbeziehungen gipfelt. Auch der Hass gegen Juden flammt auf: Es kommt zu tumultartigen Unruhen, als während der Inflation Gerüchte über angebliche jüdische Verschwörungen die Runde machen.

Ein Volk zwischen Angst und Gier

Roman Knižka trägt die intensiven Berichte, Geschichten und Gedichte aus dieser Zeit nicht nur mit Worten vor: Der Schauspieler füllt sie mit Leben. Er gestikuliert mit den Armen, wechselt zwischen dem schneidenden Ton eines Radiomoderators aus den 1920er-Jahren, dem des schnoddrigen Berliner Sportkommentators und dem staatsmännischen Duktus des Reichspräsidenten Friedrich Ebert. Dazwischen rezitiert er immer wieder Gedichte, die den schizophrenen Geist des Jahres auf den Punkt bringen: Worte über Kriegskrüppel und Kriegsgewinner, über die Magie Charlie Chaplins, über Skandale auf der Bühne, über ein entblößt-tanzendes Volk zwischen Angst und Gier, Panik und Entsetzen.

Bittersüß und exzessiv

Ende 1923 gerät das Land weiter aus den Fugen. In München scheitert Adolf Hitler (vorerst) mit seinem Putschversuch, und an Silvester kostet ein Brot fast 400 Milliarden Mark. „Die Welt ist nicht mehr dieselbe“, sagt Roman Knižka, und die Texte und Lieder, die das Ensemble „Opus 45“ und der Schauspieler in Höhr-Grenzhausen präsentieren, wirken überdreht, exzessiv, bittersüß. Manchmal scheinen sie aber auch eigenartig vertraut. Denn in mancherlei Hinsicht ähnelt 1923 dem Jahr 2023, sagt der Schauspieler am Schluss des beeindruckenden Abends – wirft sich einen türkisfarbenen Schal um und singt. Statt Geschichtsstunde und erhobener Zeigefinger also Musik und viel Humor zum Abschluss. Auf eine bessere Zukunft! (bon)

Das Konzert wurde gefördert durch die Partnerschaft für Demokratie im Kannenbäckerland, ein Zusammenschluss der Verbandsgemeinden Höhr-Grenzhausen und Ransbach-Baumbach, und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben!".

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