Musiktherapeutin aus der Ukraine geht mit Klienten der Tagesstätte auf Klangreisen
Psychisch beeinträchtigte Menschen genießen Musiktreffen
bonAlexandra Avanesan (Mitte) bei ihrer Arbeit mit den Klienten der Tagesstätte.24.04.2023 bon Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
bonAlexandra Avanesan bei ihrer Arbeit mit den Klienten der Tagesstätte.Musik machen - nicht nur mit Stimmen und Instrumenten, sondern mit dem ganzen Körper. Alexandra Avanesan weiß, wie gut Musik tun kann: Sie ist Musiktherapeutin und leitet die Gruppe. Vor einem Jahr ist sie vor dem Krieg aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet.
Flucht aus dem Kriegsgebiet
Alexandra Avanesan stammt aus Charkiw im Nordosten des Landes. Als die russischen Truppen in die Ukraine einfallen, flieht sie mit ihrem kleinen Sohn nach Deutschland. Ihr ältester ist noch dort. Ebenso wie ihr Mann, der in der ukrainischen Armee als Soldat kämpft. In ihrer Heimat arbeitete Alexandra Avanesan lange als Musiktherapeutin mit psychisch beeinträchtigten Kindern und Jugendlichen. Dort erlebt sie, welchen Einfluss Klänge auf das Wohlbefinden haben.
Begrenzt belastbar
In Deutschland will sie ihre Erfahrungen weitergeben: Als Honorarkraft des Diakonischen Werks Westerwald geht sie mit den Klienten der Diakonie-Tagesstätte auf Klangreisen. Jeden Donnerstag trifft sie sich mit den psychisch beeinträchtigten Menschen in Westerburg. Und nicht alle können sich gleich aufs Musizieren einlassen. Für die Musiktherapeutin ist das völlig in Ordnung. Sie weiß, dass die Männer und Frauen nur begrenzt belastbar sind. Aber sie weiß eben auch, wie heilsam Klänge sein können. Mit einfachen, tänzerischen Bewegungen bringt Alexandra Avanesan die Gruppe behutsam in Schwung: Arme strecken sich zum Himmel; Füße tänzeln im Takt der Musik; Finger huschen wie Schmetterlinge über Beine.
Hemmungen abgebaut
Dann nehmen sich die Klienten Instrumente und bilden mit Rasseln, Schellenkranz und Glockenspiel ein kleines Orchester. Zunächst dirigiert sie Alexandra Avanesan noch; später übernehmen die Teilnehmer den Taktstock und werfen sich die Noten und Rhythmen wie Bälle zu. „Das ist eine schöne Konzentrations- und Koordinationsübung“, sagt die Musiktherapeutin und freut sich, dass die psychisch kranken Menschen das Spiel nicht nur mitmachen, sondern es genießen. Selbstverständlich ist das nicht, sagt die Leiterin. „Anfangs hatten einige von ihnen große Hemmungen, sich in der Gruppe zur Musik zu bewegen. Aber in den vergangenen drei Monaten ist eine Menge passiert. Die Menschen haben sich verändert und bringen inzwischen sogar eigene Ideen für Bewegungen oder Musikbegleitungen ein“, erzählt sie.
Neues Selbstbewusstsein
Regelmäßige Pausen brauchen die Teilnehmenden dennoch. Das hat Thomas Dörner als Mitarbeiter der Tagesstätte während der Musiktreffen immer im Blick. Sich etwas zu trauen schadet aber trotzdem nicht, glaubt er: „Ich finde es bewegend, dass die Männer und Frauen Fortschritte machen und hier neues Selbstbewusstsein entwickeln.“ So wie Johannes, einer der Klienten. Er ist von Anfang an dabei und singt für sein Leben gerne: „Die Musik hilft mir, auf andere Gedanken zu kommen. Sie macht mich leicht. Und Alexandras Lachen steckt an“, sagt er und muss selbst lächeln. Manuela, eine andere Teilnehmerin, nickt: „Ich habe jahrelang in einem Kirchenchor gesungen und bin froh, dass ich hier auch die Möglichkeit habe. Denn das Singen entspannt mich.“
Wilde Grimassen
Musik als Wellness-Oase. Nicht nur für die Seele, sondern auch für die Muskeln. Alexandra Avanesan nutzt die Klänge, die Stimme und Tanzbewegungen, um den ganzen Körper zu mobilisieren und zu dehnen. Sogar die Gesichtsmuskulatur – selbst wenn die Gruppe dabei wilde Grimassen schneidet. Am Ende beweisen die Teilnehmenden des musikalischen Vormittags nochmal Mut. Sie singen das Kirchenlied „Da berühren sich Himmel und Erde“ – und zwar jeweils zu zweit. So etwas müssen sich ungeübte Sängerinnen und Sänger erst einmal trauen. Für die Klienten der Tagesstätte ist das aber schon lange keine Mutprobe mehr. Und für Alexandra Avanesan ist eine Bestätigung dafür, dass Musik über Ländergrenzen hinweg die Seele erfrischen kann. (bon)
Im Detail: Die Tagesstätte des Diakonischen Werks Westerwald
Die Tagesstätte des Diakonischen Werks Westerwald ist eine teilstationäre Einrichtung, in der chronisch psychisch erkrankte Menschen lernen, ihren Tagesablauf wieder sinnvoll zu gestalten. Dort finden sie AnsprechpartnerInnen für alltägliche Probleme, erhalten beschäftigungstherapeutische Angebote, tasten sich an die eigene Belastungsfähigkeit heran und haben Möglichkeiten, die Freizeit zu gestalten.
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