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Gedenkveranstaltung und Ausstellungseröffnung

„Schaut nicht weg und lauft nicht mit!“

shgRund 60 Besucher zählte die Ausstellungseröffnung „Die Kirchgänger schauten weg“

Rund 60 Menschen sind der Einladung zur Gedenkveranstaltung anlässlich des 100. Geburtstags von Prof. Dr. Dr. Kurt Isselbacher ins Bürgerhaus nach Wirges gefolgt. Die Feier erinnerte an das Leben und Wirken des weltweit renommierten Mediziners – geboren in Wirges, vertrieben durch das NS-Regime, in Harvard und weltweit geehrt.

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Eröffnet wurde die Veranstaltung durch Schulpfarrer Christof Haxel-Schamuhn vom Landesmusikgymnasium Montabaur. Besondere Umstände machten die Westerwälder Herkunft des Mediziners erst vor kurzem bekannt: Haxel-Schamuhns Tochter war bei einem Besuch der medizinischen Fakultät in Harvard zufällig auf den Geburtsort des Wissenschaftlers gestoßen.

Projektgruppe gegründet

Diese Entdeckung führte zur Gründung einer engagierten Projektgruppe, bestehend aus Anja Göbel, Andrea Stockschläder, Christof Haxel-Schamuhn und Dr. Uli Jungbluth. Gemeinsam organisierten sie die Gedenkfeier sowie die begleitende Ausstellung unter dem Titel: „Die Kirchgänger schauten weg“.

Bericht aus Autobiographie

Andrea Stockschläder berichtete aus Isselbachers Autobiographie „Don’t Call Me Cookie“, in der er seiner Kindheit in Wirges ein eigenes Kapitel widmet. Darin beschreibt er das Pogrom 1933: Die jüdische Familie Isselbächer wurde aus ihrem Wohnhaus in der damaligen Bahnhofstraße 32 (heute Nr. 68) gewaltsam vertrieben, Mobiliar und persönliche Dokumente verbrannt, Familienmitglieder misshandelt. Nach dem Angriff flohen sie zunächst nach Meckenheim, bevor ihnen 1936 mithilfe einer bereits emigrierten Verwandten die Flucht in die USA gelang. „Nicht zu den sechs Millionen zu gehören, die ausgerottet wurden, hat mein Leben grundlegend verändert“, zitiert Stockschläder den späteren Mediziner, dessen Biografie den Untertitel trägt: „I wanted to justify my survival“. Isselbacher wurde in den USA zu einem Pionier auf dem Gebiet der Gastroenterologie und Krebsforschung. Als Gründer des renommierten Massachusetts General Hospital Cancer Center in Boston und Autor von über 470 wissenschaftlichen Arbeiten hat er weltweit Spuren hinterlassen. 2019 verstarb er im Alter von 93 Jahren.

Wichtigkeit der Erinnerungskultur betont

Landtagspräsident Hendrik Hering betonte in seiner Ansprache die Notwendigkeit, die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus wachzuhalten: „Es gibt eklatante Geschichtslücken, gerade bei jungen Menschen.“ Hering lobte das Projekt für seine emotionale Zugänglichkeit: „Biografien wie die von Kurt Isselbacher schaffen eine Verbindung, die über Zahlen und Daten hinausgeht.“

Geschichtliche Einordnung

Dr. Uli Jungbluth skizzierte den geschichtlichen Hintergrund des Pogroms in Wirges. Es fand am 2. April 1933, einem Ostersonntag, statt. „An keinem Tag war die Stimmung gegen die Juden so aufgeheizt wie an Ostern“, sagte Jungbluth. Vor dem Haus der Familie Isselbacher wurden Bücher öffentlich verbrannt, die erste Bücherverbrennung in der Region, so Jungbluth. Er erinnerte an die damaligen Täter, vier Wirgeser Nationalsozialisten. „Feind oder Freund, sonst gab es nichts. Und den Feind galt es zu vernichten.“ Der Titel der Ausstellung „Die Kirchgänger schauten weg“ ist somit nicht nur programmatisch, sondern auch mahnend. Sie macht das Geschehen jener Tage deutlich und zeigt die Gleichgültigkeit der Nachbarn gegenüber der Ausgrenzung und Gewalt an ihren Mitmenschen.

Musikalisch gestaltet durch die "Lebensmelodien"

Musikalisch gestaltet wurde die Gedenkfeier durch Musikerinnen und Musiker des Landesmusikgymnasiums Montabaur. Im Rahmen des Projekts „Lebensmelodien – Musik im Angesicht des Todes“ spielten sie unter anderem Stücke, die in Ghettos und Konzentrationslagern entstanden sind. Diese Melodien wurden zwischen 1933 und 1945 teilweise unter Lebensgefahr in hebräischer, jiddischer oder ungarischer Sprache notiert. Die Schülerinnen und Schüler haben einige dieser Werke neu arrangiert, einstudiert und geben den Stimmen der Verfolgten damit Gehör. Die Gedenkveranstaltung in Wirges war ein eindringlicher Appell gegen das Vergessen und für das Hinschauen, da, wo Unrecht geschieht. Oder wie es Dr. Jungbluth formulierte: „Die Leute haben weggeschaut und sind mitgelaufen. Schaut nicht weg und lauft nicht mit!“

Ausstellung soll wandern

Die Ausstellung ist bis zum 25. September im Bürgerhaus in Wirges zu sehen. Anschließend wird sie zunächst, wie Verbandsbürgermeisterin Alexandra Marzi ankündigte, an die Theodor-Heuss-Realschule plus in Wirges weitergegeben. Sie dankte dem Projektteam, gemeinsam mit Stadtbürgermeister Markus Schlotter, für dessen engagierte Aufarbeitung der regionalen Geschichte.

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