Gemeinwohl statt Profit: Referent stellt in Montabaur zukunftsweisendes Konzept vor
Wie eine Idee unsere Wirtschaft auf den Kopf stellen kann
bonChristian Felber stellt die Idee der Gemeinwohl-Ökonomie vor.20.09.2022 bon Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Zeit zum Umdenken
Es ist Zeit, umzudenken, ist die Botschaft des Buchautors und Hochschullehrers. Weg von einem Wirtschaftsmodell, das nur die Vermehrung des Geldes im Blick hat; hin zur Gemeinwohl-Ökonomie. Christian Felber ist Mitbegründer der Gemeinwohl-Ökonomie-Bewegung und der Redner der Veranstaltung, zu der das „Forum Wirtschaftsethik“ mit der Berufsbildenden Schule Montabaur und der Regionalgruppe Gemeinwohl-Ökonomie Koblenz-Mittelrhein nach Montabaur eingeladen hatte.
Ein Forum für Wirtschaftsethik
Zum Forum gehören das Evangelische Dekanat Westerwald, die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Westerwaldkreis, die Katholische Erwachsenenbildung- Bildungswerk Westerwald-Rhein-Lahn, die Industrie- und Handelskammer Koblenz (Geschäftsstelle Montabaur) und die Kreishandwerkerschaft Rhein-Westerwald.
Mehr Menschenwürde statt mehr Profit
Felber glaubt, dass unser Wirtschaftssystem schon jetzt auf dem Kopf steht: „Das Geld ist zum Selbstzweck geworden, statt ein Mittel zu sein für das, was wirklich zählt: ein gutes Leben für alle.“ Die Gemeinwohl-Ökonomie möchte die Menschenwürde, die Menschenrechte und die ökologische Verantwortung als Werte auch in der Wirtschaft umsetzen.
Geld ist nur Mittel zum Zweck
Das klingt wie eine Utopie. Aber im Kern ist das der Grundgedanke der Ökonomie: Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl, zitiert Christian Felber aus dem Artikel 151 der Bayerischen Verfassung und zeigt weitere Beispiele von Verfassungen, in der Geld stets als Mittel zum Zweck bezeichnet wird– und nicht als eigentlicher Zweck.
Macht statt Solidarität
Soweit die Theorie. In der Realität ist von diesem ursprünglichen Leitbild nicht mehr viel zu spüren, findet der Referent. Es geht um Gewinnmaximierung, Profit, Macht statt um Rücksicht, Solidarität und Vertrauen. Die Grundwerte, die in der Wirtschaft vermittelt werden, widersprechen oft denen des Grundgesetzes, glaubt er.
Gemeinwohl- statt Bruttosozialprodukt
Die Gemeinwohl-Ökonomie möchte zurück zu den Ursprüngen: zurück zu einer Wirtschaft, die nicht an finanziellen Erfolgen gemessen wird, sondern an ihrem positiven Effekt für die Allgemeinheit. Der Experte regt an, das Bruttoinlandsprodukt als Indikator für den wirtschaftlichen Erfolg durch ein „Gemeinwohl-Produkt“ abzulösen. Bei diesem Modell wird Glück und Erfolg nicht mehr in Geld und Profit bemessen. Das Gemeinwohl-Produkt zeigt zum Beispiel, ob eine Gesellschaft gesünder wird, solidarischer, nachhaltiger, freier.
Unternehmen fördern
Unternehmen, die sich für diese Werte stark machen, müssten gefördert werden, fordert Felber – zum Beispiel durch Steuerentlastungen oder gute Finanzierungskonditionen. Außerdem sollen die Bürgerinnen und Bürger stärker mitbestimmen, wohin sich die Wirtschaft bewegt und welche Dinge in der Gesellschaft an erster Stelle stehen sollten. Wirtschaftswerte auf den Kopf gestellt. Ob Utopien wie diese jemals Wirklichkeit werden?
3000 machen schon mit
Christian Felber ist optimistisch: „Inzwischen haben sich rund 3000 Unternehmen dem Modell angeschlossen und erstellen Gemeinwohl-Bilanzen“, sagt er. Der Wille zur Veränderung, weg vom Kapitalismus und hin zur Gemeinwohl-Ökonomie, er ist spürbar. Auch bei einigen Organisationen, Vereinen, Projekten und Firmen aus der Region. 36 von ihnen hatten sich für die „Grüne Welle“, den ersten Nachhaltigkeitspreis des Westerwaldkreises beworben; 21 von ihnen haben sich und ihre Arbeit in der Montabaurer Stadthalle mit einem Stand vorgestellt. Vier wurden am Ende ausgezeichnet: Die Verbandsgemeinde Höhr-Grenzhausen, der Obst- und Gartenbauverein Ötzingen, die „Augenblick Brillen Kontaktlinsen GmbH“ aus Wirges, und die Schülergenossenschaft „RC Snackbar“ des Raiffeisen-Campus Dernbach begeisterten die Jury mit nachhaltigen Ideen und Projekten.
Vorbilder aus dem Westerwald
Doch letztlich zeigen alle Teilnehmenden, dass der Weg hin zur Gemeinwohl-Ökonomie möglich ist, glaubt die Montabaurer Stadtbürgermeisterin und Beigeordnete des Westerwaldkreises, Gabriele Wieland: „Alle Projekte sind vorbildlich und hätten einen Preis verdient.“ (bon)
Im Detail: Der Grüne Hahn
Das Evangelische Dekanat Westerwald war als Teil des Forums Wirtschaftsethik nicht nur Mitveranstalter des Abends in Montabaur. Mit einem Info-Stand hat es auch den „Grünen Hahn“ vorgestellt. Das ist das kirchliche Umweltmanagement, mit dem sich der Wäller Kirchenkreis derzeit zertifizieren lässt. Der Grüne Hahn hilft Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen, ihre Verantwortung für die Schöpfung systematisch umzusetzen. Er analysiert und optimiert alle Bereiche des kirchlichen Lebens. Er hat beispielsweise die Wärmedämmung, Gebäudetechnik, den Materialverbrauch im Büroalltag, die Reisekosten bis hin zur Wahl des Anbieters für fair gehandelten Kaffee im Blick.
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